Daniel Bönisch, Geschäftsführer, Gesellschafter und Gründer 22.07.2025

Zwischen Fortschritt und Brandbeschleuniger – ein Gespräch mit Vincent über Technologie und KI

Daniel Bönisch und Vincent Horlacher, UEBERBIT GmbH

Unser Team besteht aus sehr unterschiedlichen Charakteren, Sichtweisen und Hintergründen. Ich glaube, dass diese Kombination eine der großen Stärken von UEBERBIT ausmacht.

Von neuen Mitarbeitenden wünsche ich mir immer, dass sie schon zu Beginn ihrer Arbeit bei UEBERBIT zu einer spürbaren Veränderung des Unternehmens beitragen. Einer, dem das aus dem Stand gelungen ist, ist mein Kollege Vincent. Im Projektmanagement sorgt er bei UEBERBIT für den reibungslosen Verlauf von Projekten. Kunden und Kundinnen wie auch das Team schätzen ihn wegen seiner Management- und Kommunikationsqualitäten.

Er engagiert sich seit vielen Jahren gesellschaftlich und politisch und vertritt dabei eine klare, wertebasierte, gesellschaftskritische Haltung, die sich für soziale Gerechtigkeit, eine faire Verteilung von Ressourcen und gegen Diskriminierung einsetzt.

Für mich ein Anlass mit ihm über KI im Speziellen und Technologie im Allgemeinen zu sprechen.

 

Vincent, danke, dass du dir Zeit nimmst. KI ist gerade überall Thema, aber kritische Stimmen gehen dabei oft unter. Deshalb freue ich mich, dass du deine Perspektive teilst. Lass uns vorne anfangen: Wann bist du das erste Mal real mit KI in Berührung gekommen?

Vincent: So richtig bewusst war das erst mit ChatGPT. Vor etwas über einem Jahr. Und seitdem sehe ich viele Entwicklungen mit Sorge.

Mal ganz allgemein: Wie würdest du dein Verhältnis zur KI bezeichnen oder beschreiben?

Vincent: Kritisch, skeptisch, ablehnend.

Ich finde, dass im Moment in diesem Kontext kritische Stimmen viel zu selten Gehör finden und deswegen freue ich mich, mit dir darüber zu sprechen. Gab es ein konkretes Erlebnis, das deine Haltung geprägt hat?

Vincent: Nicht direkt. Meine Kritik an KI ist Teil meiner grundsätzlichen Haltung zur Gesellschaft und zu unserem Wirtschaftssystem. Es geht mir nicht um Ablehnung von KI an sich, sondern um die Art und Weise, wie sie in unserer Gesellschaft eingesetzt wird. 

Was genau macht dir Sorgen?

Vincent: Die zentrale Frage ist: Wofür wird technischer Fortschritt in einem kapitalistischen System genutzt? Meiner Meinung nach in erster Linie zur Profitmaximierung, nicht zur Verbesserung der Lebensverhältnisse für alle. Und KI reiht sich da nahtlos ein. Natürlich bringt technischer Fortschritt manchmal positive Effekte auch für die breite Masse mit sich, aber das sind eher Nebeneffekte, kein Ziel.

Und KI verstärkt diese Dynamik?

Vincent: Ja. Das Grundproblem existiert schon seit der industriellen Revolution: Theoretisch könnten wir heute alle weniger arbeiten, bei gleichem oder sogar besserem Lebensstandard. Aber obwohl die Produktivität gewachsen ist, stiegen – global gesehen – zumeist vor allem die Profite derer, die sowieso schon viel haben. Wenn KI in einem solidarischen, gut regulierten System eingesetzt würde, könnte sie viel Gutes bewirken. Aber im aktuellen Setup wird das Gegenteil passieren.

Also beschleunigt KI gesellschaftliche Ungleichheit?

Vincent: Genau. Menschen mit Macht und Kapital können ihre Gewinne weiter steigern, während einfache Arbeitnehmer:innen um ihre Jobs fürchten müssen. Das ist für mich ein sehr greifbares Beispiel.

Ich fasse mal zusammen: Deine Kritik an KI ist eng mit deiner grundsätzlichen Systemkritik verbunden. Du siehst KI nicht als neutral, sondern als Verstärker bestehender Machtverhältnisse?

Vincent: Richtig. KI ist für mich ein Brandbeschleuniger in einer sowieso schon ungerechten Gesellschaft. Sie wird global die Kluft zwischen Arm und Reich eher vertiefen als verringern. Es bräuchte einen grundlegenden Wandel.

Ich nehme auch hier bei UEBERBIT manchmal ganz bewusst eine deutliche Gegenposition ein, weil ich für eine kritische Auseinandersetzung mit Technologien im gesellschaftlichen Kontext eintreten will. Die Folgen von Social Media sind heute offensichtlich. Schon fast vergessen sind die Folgen des E-Commerce und Amazon im Speziellen. UEBERBIT ist für mich eben auch ein Ort, an dem kritische Auseinandersetzung und Einordnung passieren muss.

Gibt es spezifische Aspekte, unter denen du KI kritisch betrachtest?

Vincent: Ja, ich sehe hier vor allem vier Aspekte:

Der erste ist „Überwachung“ – wenn Menschen meinen, sie hätten eh nichts zu verbergen, erschreckt mich das immer. Selbst wenn sich Menschen aktuell noch sicher fühlen, spätestens wenn aber irgendwann ein AfD-Innenminister Zugriff auf durch KI gewonnene, persönlichen Informationen bekommt, kann das ein Schritt auf dem Weg aus der Demokratie sein.

Den zweiten Aspekt würde ich unter „Fake News“ zusammenfassen.
Selbst in meinem Umfeld werden Videos ernsthaft diskutiert, die ich als KI-Fälschungen erkenne. Und auch für mich, als Digitaler, wird es immer schwieriger, das Echte von Fälschung zu unterscheiden. Ich fürchte die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft durch noch weiter zunehmende Polarisierung.

Die soziale Entfremdung halte ich für einen weiteren Aspekt.
KI kann zwischenmenschliche Interaktionen simulieren. KI weiß irgendwann sehr viel über uns, zugleich auch alles darüber, wie man beispielsweise Gespräche am Laufen hält – wie man Menschen motiviert und manipuliert. Hier sehe ich die Gefahr, dass sich Menschen immer fremder werden, auch weil KIs viel weniger Ansprüche haben als echte Menschen.

Zuletzt möchte ich noch den Einfluss auf Kunst und Kultur nennen. Es stößt mich ab, wenn etwa Musik, die menschliche Emotionen erreicht, von Systemen gemacht werden, die solche Emotionen gar nicht kennen. Diese KI-Musik kann anhand von Algorithmen genau den Massenmarkt bedienen. Echte Musik von Menschen wird ins Hintertreffen geraten.  

Siehst du auch Möglichkeiten, wie man die aktuelle KI-Technologie im Kontext von Unternehmen sinnvoll einsetzen könnte?

Vincent: Ja, das ist für mich kein Widerspruch. Ich habe auch früher Social-Media-Projekte umgesetzt, obwohl ich soziale Netzwerke kritisch sehe. Es kommt auf den Kontext an. Wichtig ist, dass wir bei UEBERBIT Raum für kritische Diskussion behalten. Nicht alles feiern, sondern hinterfragen.

Das sollten wir etablieren – zum Beispiel eine regelmäßige Technik-Debatte in der Teamrunde.

Vincent: Fände ich super. Wenn ich Impulse setzen kann, tue ich das gern – auch wenn manche sagen: „Der meckert wieder“. Damit kann ich leben.

Wenn du es entscheiden könntest, wie würde sich KI in den nächsten fünf Jahren entwickeln?

Vincent: Ich würde mir zum einen klare staatliche Regularien wünschen, die ethisch ausgerichtet sind und auch umgesetzt werden.

Was passiert mit Daten? Was sind die Grenzen – etwa bei der Verwendung von KI im Zusammenhang mit Überwachungstechnologien? Ich wünsche mir Regularien, die dafür sorgen, dass KI-Content verlässlich und eindeutig gekennzeichnet wird.

Zum anderen wünsche ich mir eine „Öffnung“ der Technologie, damit sie allen Menschen zur Verfügung steht. Ich bin prinzipiell ein Anhänger von Gemeingut-Ansätzen. Gerade bei KI müssen wir sehr vorsichtig sein, dass sie nicht zu weiterer Machtkonzentration einiger Weniger führt.

Zu guter Letzt wünsche ich mir einen Wandel, wofür KI vorrangig eingesetzt wird. Ich sehe die Potenziale in KI darin, immer größere Teile der Warenproduktion von menschlicher Arbeitskraft unabhängig zu machen und uns als Gesellschaft dadurch mehr Freiräume für soziale Fürsorge, Kunst und Kultur zu schaffen – anstatt genau diese Bereiche an die KI auszulagern. Das funktioniert natürlich nur im Rahmen von starker Umverteilung des erarbeiteten Wohlstands.

Danke, Vincent – für deinen Blick auf die Dinge und für deine Bereitschaft, dich einzubringen

Vincent: Ich danke dir fürs Zuhören. Und ja, lass uns unbedingt dranbleiben … nicht nur bei der Technologie, sondern auch bei ihrer gesellschaftlichen Wirkung.

Daniel Bönisch, UEBERBIT GmbH

Über den Autor

Daniel Bönisch

Geschäftsführender Gesellschafter

Daniel ist Mitbegründer und Mit-Inhaber der UEBERBIT GmbH. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Entwicklung von KI-Lösungen für Geschäftsprozesse im B2B-Bereich.